Leseprobe II: Jud Maxe, der Wüstensohn

Mein Vater ging oft zu den Veranstaltungen der Nationalsozialisten, er war ja auch sonst bei allem dabei, und gab lautstark seiner Missbilligung Ausdruck, ganz nach dem Motto, das er mir einige Jahre später in mein Poesiealbum schrieb: »Ein gerades Ziel, ein rechter Weg, und ein entschiedenes Ja und Nein.« In den Versammlungen der Nazis sagte er zu den Versammelten: »Glaubt das nicht, das ist alles Schwindel!« So nahm er  als Junggeselle mutig und niemandem verpflichtet den Kampf auf. Er eckte damit natürlich oft an. Als er im Spätsommer 1933 eines Tages beim Billardspiel in der Wirtschaft gegenüber seinem Elternhaus war, wurden von einigen anwesenden jungen Nazis, die nicht aus Weeze kamen, hässliche Bemerkungen gemacht. »Seht den Jüdd, wie der spielt,« riefen sie. Irgendwann war Vater es leid und sagte: »Ich will Ihnen mal was sagen, meine Herren. Die Juden sind durchs rote Meer gekommen und kommen auch durch diese braune Scheiße.« Bald darauf wurden Vater Handschellen angelegt, und er kam ins Zuchthaus Kleve. Der Friseur K., so sagte Vater, setzte daraufhin eine Anzeige in die Zeitung, in der stand: »Jud Maxe, der Wüstensohn, der edle Hebräer, wer ihn besuchen will, kann ihn im Luftkurort Kleve im Zuchthaus für vier Monate antreffen.« Vater fand das nicht so schlimm und sagte nur: »Da schreibt er doch wenigstens, dass alle Leute wissen, dass ich ein edler Hebräer bin.«

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